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Diplomatische Lehren 1: 1979-83

Ziehe keine voreiligen Schlüsse!

Ich gebe gerade eine interne online Schulung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der britischen Botschaft in Wien als mich jemand fragt ob ich je daran gedacht hätte alle jene Lektionen zusammenzufassen, die ich in meiner 41-jährigen Berufslaufbahn gelernt habe. Nein, sage ich. Meine Kollegen ermutigen mich, darüber nachzudenken.

Hier ist also der erste einer Reihe von Blogs in denen ich auf Basis verschiedener Stationen meiner Karriere einige meiner “lessons learned” aufliste. Kommentare sind wie immer willkommen!

Meinen ersten Tag im öffentlichen Dienst hatte ich am 3. Oktober 1979. Mit etwas Bangen näherte mich dem Portier von Nr 2 Marsham Street, das seit vielen Jahren bereits abgerissene frühere Hauptgebäude des mittlerweile vielfach umorganisierten Ministeriums für Umwelt und Verkehr.

“Sie sind hier falsch”, sagte der Portier. “Ihre Abteilung ist im Lambeth Bridge House.”

Also marschierte ich über die Lambeth Bridge zu einem grimmig aussehenden roten Büroblock aus den 1940er Jahren (ebenfalls bereits abgerissen). Der Architekturhistoriker Nikolaus Pevsner beschrieb das Gebäude einst vom mit den drei Worten “Ziegel, zweckmäßig, unscheinbar”  beschrieben1. Im inneren wurden die Gänge immer grauer und bedrückender je weiter man ging.

Ich began leichte Zweifel an meiner Karrierewahl2 zu hegen.

Schließlich fand ich eine Tür mit der Aufschrift “Personal, Management und Training Abteilung”. Mit einem symbolischen Klopfen trat ich ein und sah zwei Frauen vor mir, halb versteckt hinter dichten Zigarettenrauchschwaden. Ihr überaus freundlicher Empfang änderte meinen Eindruck der neuen Arbeitsstaette von trostlos zu fröhlich binnen Sekunden.

Die Aussicht aus meinem Zimmer in Marsham Street

In den drauffolgenden vier Jahren hatte ich vier verschiedene Jobs.

Im Verkehrsministerium arbeitete ich an den britischen Frachttransportregelungen, insbesondere einem Gesetzesentwurf zur “Entstaatlichung3 der nationalen Frachtkorporation, einer im Staatseigentum stehenden Spedition. Mein Büro im 17. Stock teilte ich mit meinem Chef. Ich konnte ihm meine Entwürfe über den Schreibtisch hinweg reichen und hatte dann ausgiebig Gelegenheit, ihm zuzusehen, wie er zahlreiche Korrekturen vornahm.

Mit Joe Staines bin ich von Lincoln nach Clermont Ferrand gefahren

Als Mitarbeiter der Immobilienservice Agentur war ich in Rheindalen in Deutschland damit beschäftigt, Immobilien der britischen Streitkräfte in Westdeutschland und Berlin zu betreuen. Dort haben wir regelmäßig gewitzelt, dass das Joint HQ in dem ich arbeitete vermutlich eines der ersten Ziele eines sowjetischen Militärschlags gewesen wäre.

Berliner Mauer 1980 (hier Potsdamer Platz)

Im Umweltministerium war ich verantwortlich für die Absicherung von Mietverhältnissen in britischen Mietobjekten. Dazu gehörte auch das sogenannte gesicherte Mietverhältnis, das heute noch regelmäßig zur Anwendung kommt.

Im Finanzministerium arbeitete ich dann an nachfrageseitigen Programmen die die Effizienz der britischen Wirtschaft erhöhen sollten, etwa bargeldloser Zahlungsverkehr oder Arbeitslosenunterstützung.

Wenn ich eine Lektion aus diesen vier Jahren ziehen müsste dann wäre es, dass das Verhältnis zwischen den Inhalten und dem Interessantheitsgrad eines Jobs weder offensichtlich noch vorhersehbar ist. Die Arbeit in London zählte zu den faszinierendsten in meiner Karriere. Unter den Highlights war etwa, Teil des Beamtenteams zu sein, dass Minister bei Parlamentsdebatten mit Input zur Seite steht, direkte Mitarbeit an Gesetztesentwürfen, mit einem Fernfahrer von Lincoln bis nach Clermont-Ferrand in Frankreich und zurück reisen, Flughangare in Deutschland inspizieren , durch Checkpoint Charlie reisen und HausbootbewohnerInnen besuchen, deren Mitverhältnisse besonderen Regeln unterliegen. Ich habe sehr viel gelernt über Politk, Wirtschaft und wie man Projekte erfolgreich abschliesst. Spätere Jobs im britischen Außenministerium waren ebenso erfüllend aber nichts war so hervorstechend herausfordernd und lehrreich. Bei der Auswahl eines Karrierepfads sollte man nicht annehmen, dass etwas das glamourös erscheint auch am zufriedenstellendsten ist.

In jedem meiner Jobs hatte ich inspirirende Kolleginnen und Kollegen die Mentoren und Freunde geworden sind. Ich erinnere mich an den Generalsekretär im Verkehrsministerium, Giles Hopkinson, der 1980 ein Meeting leitete bei dem er meinen Vorschlag wie man das Verkehrssystem in Süd Ost England verbessern könnte (unter anderem hatte ich vorgeschlagen eine neue Autobahn um London herum zu bauen) mit derart viel Charme in der Luft zeriss, dass ich mich ob der Erfahrung geehrt fühlte.  Meine Kolleginnen und Kollegen im Umwelt und Finanzministerium waren ebenso wunderbar, insbesondere jene zwei Damen an meinem ersten Tag, die meine Karriere gerettet haben bevor sie noch begonnen hatte.

Nächster Teil: Diplomatische Lehren 2: Mein erster Auslandsposten in Wien 1984-87

1 Ich fand erst 2020 heraus, dass es Lambeth Bridge House war, von wo au sein gewisser J D Fraser vor 29 Jahren die Renovierung der Britischen Residenz in Wien koordiniert hatte.

2 Das Wort Auswahl is eine Übertreibung. Ich hatte bereits Absagen von Thomas Cook, British Airways and J Walter Thompson erhalten.

3 Das Wort privatisierung war noch nicht erfunden worden

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