“Ob sich dieser Standort in Wien wirklich für eine Residenz des Gesandten eignet, lässt sich bezweifeln … es ist alles andere als eine angenehme Wohngegend.“
Wie sich die Zeiten ändern!
Historische Akten, die wir vor kurzem über die Restaurierung der Residenz des britischen Botschafters in der Metternichgasse 6 in Wien nach 1945 ausgegraben haben, bringen interessante Details ans Licht.
Die Residenz wurde 1873 von dem österreichischen Architekten Viktor Rumpelmayer im Auftrag der britischen Regierung gebaut. Sie wurde nach dem Anschluss 1938 an das Nationalsozialistische Fliegerkorps verkauft und ging 1945 in den Besitz der österreichischen Regierung über. Mark Bertram, mein ehemaliger Kollege im Foreign Office, beschreibt ihre Geschichte in seinem ausgezeichneten Buch Room for Diplomacy. Auf dem folgenden Bild vom Hauseingang dem imposanten Hausmeister ist ein königliches Wappen über der Tür zu sehen, das nicht mehr existiert. Wenn jemand weiß, was mit dem Wappen geschehen ist, oder über andere Fotos von der Residenz aus den Jahren 1938-50 verfügt, würde mich das sehr interessieren.
Die Nachkriegsgeschichte der Residenz beginnt mit einem vom 23. Februar 1945 datierten Brief eines Mr. Mack von der Alliierten Kontrollkommission an einen Mr. Crombie vom Foreign Office. Mack, der nach dem Krieg der erste Botschafter in Österreich werden sollte, hält es für “wünschenswert, dass eine Entscheidung bezüglich der Zukunft der ehemaligen britischen Botschaft/Gesandtschaft in Wien, Metternichgasse 6“ getroffen werde. Crombie antwortet am 27. Februar, alles spreche dafür, „die ehemaligen Räumlichkeiten der Britischen Botschaft wieder in Besitz zu nehmen, falls sie noch bewohnbar sein sollten, wenn die Kommission in Wien eintrifft“. Beigefügt ist ein Auszug aus einem Vermerk von Frank Ashton-Gwatkin, wahrscheinlich einem weiteren Mitarbeiter des FCO, in dem es heißt: “Vieles spricht für die alte Britische Botschaft. Sie ist ein wenig altmodisch, hat aber ein würdevolles Ambiente, gute Repräsentationsräume und eine Tradition.”
In der Angelegenheit wird es still bis zum 26. Oktober 1948, als ein Mr. E. C. Inston von der Alliierten Kommission für Österreich an einen Mr. Parr im Bauministerium schreibt, er habe sich an diesem Tag „die alte Botschaft angeschaut … Das Gebäude hat am stable block einen direkten Einschlag abbekommen, und auch das Dach ist beschädigt. In keinem der Fenster befindet sich Glas, und das Gebäude hat sehr unter der Witterung gelitten, innen wie außen.“ In einem späteren Gutachten von 1949 heißt es: „Das Gebäude ist durch Bomben stark beschädigt worden. Zwei Bomben haben den alten Dienstbotenflügel fast vollständig zerstört. Das übrige Gebäude ist in sehr schlechtem Zustand, und aufgrund der fehlenden Fenster und sogar Fensterrahmen konnten seit 1944 Schnee und Regen in das Gebäude eindringen. Alle Sanitäranlagen, Kamine, die meisten Heizkörper und andere Einrichtungen fehlen. Auch die meisten Türen und einige Rahmen fehlen. Viele Vertäfelungen und Böden sind beschädigt… das Dach ist nicht wasserdicht… Eine komplette Sanierung des gesamten Gebäudes würde wahrscheinlich so viel kosten wie ein kompletter Neubau… Ob sich dieser Standort in Wien wirklich für eine Residenz des Gesandten eignet, lässt sich bezweifeln … es ist alles andere als eine angenehme Wohngegend.“
Das Bild zeigt die Residenz in ihrem Vorkriegszustand
Allmählich kommt es zu einem Meinungsumschwung. G. R. Codrington von der Konferenz- und Beschaffungsstelle des Foreign Office berichtet in einem Schreiben vom 10. Oktober 1949 von einer Besprechung mit Harold Caccia (später Sir Harold Caccia und schließlich Lord Caccia), der im November dieses Jahres als Botschafter nach Wien versetzt wurde. Codrington schreibt: „es ist beschlossen worden, dass der zukünftige Standort für die Residenz der jetzige ist. Dies ist das Diplomatenviertel, und nach Beratungen hier wurde von politischer Seite entschieden, dass wir hier bleiben sollten, anstatt das Problem dadurch zu lösen, dass wir eine Residenz draußen in Hietzing oder irgendeinem Villenvorort erwerben.“
Codrington schreibt weiter: “Als Konsequenz aus dieser politischen Entscheidung scheint es auf lange Sicht naheliegend zu sein, unser altes Botschaftsgebäude abzureißen und einen Neubau auf diesem Grundstück zu errichten.“ In einer Note vom folgenden Tag heißt es: “Was eine dauerhafte Residenz anbelangt, so hat sich Herr Caccia vergewissert, dass es keine bessere Lösung gibt, als die alte Gesandtschaft zurückzukaufen, sie abzureißen und auf dem Gelände eine neue Residenz zu errichten. Die Bausubstanz wurde durch die Bombardierung zerstört, und der Grundriss ist völlig unzeitgemäß.“
In einem vom 6. Dezember datierten Schreiben von Mr. Inston an die Britische Gesandtschaft (damals in der Reisnerstraße 40, ein paar hundert Meter von der Metternichgasse entfernt) wird ebenfalls dafür plädiert, “das alte Botschaftsgebäude” zu erwerben, aber mit dem Zusatz, “man müsste das bestehende Gebäude abreißen, das durch eine Bombe schwer beschädigt wurde und sich in der Tat in einem schlechteren Zustand befindet als bei meiner letzten Besichtigung, zumal mindestens ein Stockwerk vor kurzem wegen Fäulnis eingebrochen ist.“
Obwohl der Briefwechsel von 1949 eine Ansiedlung der britischen Residenz am Stadtrand ausschloss, scheint Caccia selbst zwischen 1949 und 1950 ein Auge auf das ehemalige Palais Lanckoroński in der Jacquingasse 18 geworfen zu haben (hier am Gürtel steht heute das Hotel Daniel). Deshalb reiste ein Architekt des Bauministeriums, der in Warschau ausgebildete Zwi Sirotkin, im Juli 1950 nach Wien. Sirotkin verfasste einen Bericht, datiert 28. Juli 1950, in dem er die beiden Standorte verglich.
Über Wien schrieb Sirotkin:“die allgemeine Situation – politisch, wirtschaftlich usw. – ist verwirrend, da Österreich derzeit von vier Mächten besetzt ist, die jeweils eine andere Sicht auf Verwaltungsangelegenheiten und allgemeine Fragen des politischen Vorgehens haben… Wien hat die Zerstörungen des Krieges im Vergleich zu anderen Großstädten des deutschsprachigen Europas glimpflich überstanden, andererseits ist es aufgrund der politischen Verhältnisse in Österreich mit Schwierigkeiten konfrontiert, die unüberwindbar zu sein scheinen.“ Wenn wir uns heute Wien ansehen, sind wir uns wohl einig, dass diese Schwierigkeiten überwunden wurden.
Sirotkin hielt das Palais Lanckoroński, das kaum mehr als eine ausgebrannte Hülle war, für ungeeignet (“architektonisch, ästhetisch und strukturell spricht wenig für dieses Gebäude”). Und dass Graf Lanckoronski, der in der Schweiz lebte, ein geplantes Treffen in Linz über einen möglichen Kauf absagte und die Bezahlung in Schweizer Franken verlangte, wird nicht geholfen haben. Sirotkin schloss mit bemerkenswerter Klarheit: “Nach Abwägung der Vor- und Nachteile beider Pläne zögere ich nicht, den sofortigen Rückkauf der Metternichgasse 6 zu empfehlen.“ Er empfahl auch den Erwerb der angrenzenden Grundstücke in der Salesianergasse, auf denen 1989 die heutige Britische Botschaft errichtet wurde – sie wird Thema eines zukünftigen Blogs sein. Nach einem Briefwechsel im August 1950, koordiniert von einem Eric de Normann, wurden die Empfehlungen Sirotkins vom FCO und auch Caccia angenommen, vor allem aus Kosten- und Zeitgründen.
Ein Vermerk vom 28. Oktober 1950 von A.J.S. Pullan vom Foreign Office an J.D. Fraser im Bauministerium ist überschrieben: “Sir Harold Caccias telefonische Zustimmung zu den Plänen für die Wiedereinsetzung der Wiener Residenz in der Metternichgasse 6.” An dieser Diskussion ist jetzt auch die Frau des Botschafters beteiligt, Lady Caccia, die inzwischen eingetroffen war: “Das Treppenhaus hat ein für das Land typisches und schön gestaltetes schmiedeeisernes Geländer, das jedoch auf der oberen Etage gebrochen ist. Soviel ich weiß, ist vorgeschlagen worden, dieses Geländer abzureißen und durch Holzpaneele zu ersetzen. Das wäre ein großer Fehler; Schmiedearbeiten sind charakteristisch für die österreichische Handwerkskunst, und es gibt fähige Handwerker, die genau die Arbeiten ausführen können, die in Wien selbst, in Salzburg und anderswo gewünscht werden… Lady Caccia erzählt uns, dass es in der Nähe der Residenz eine Werkstatt gibt, in der Kronleuchter für die alten Palais hergestellt und repariert werden. Es wird zweifellos billiger sein, die vorhandenen Kronleuchter in Wien statt in London reparieren zu lassen”.
Wer die Residenz in der Metternichgasse in heutiger Zeit gesehen oder Bekanntschaft mit einem Großteil der britischen Architektur der 1950er Jahre gemacht hat, wird dankbar sein, dass das Gebäude von 1873 erhalten blieb. Die Kronleuchter und das schmiedeeiserne Geländer sind noch da, ebenso die “Werkstatt in der Nähe” – J&L Lobmeyr in der Salesianergasse. Trotz seines Alters ist der Grundriss keineswegs “völlig unzeitgemäß”, sondern ideal für jegliche Art von Veranstaltung – Wirtschaftsseminare und politische Workshops, große und kleine Konferenzen, Abendessen und Frühstücke, Vier-Augen-Gespräche und Empfänge. Es gibt auch eine Hintertreppe, so dass der Botschafter sich diskret und unauffällig von einem Empfang entfernen kann. Mack, Crombie, Ashton-Gwatkin, Inston, Codrington, Sirotkin, Sir Harold und Lady Caccia, Pullan, Fraser, Eric de Normann und andere klingen vielleicht etwas historisch, aber sie haben fantastische Arbeit geleistet.
Die Metternichgasse 6 gilt heute gemeinhin als “angenehme Wohngegend” – das finden offenbar auch Russland, Deutschland, China, Iran, Norwegen und mehrere andere Länder, die ihre Botschaften in der Nähe haben.
Wenn Sie diesen Beitrag interessant finden, lesen Sie bitte unseren früheren Blog über die Geschichte der Jaurèsgasse, in der sich die Britische Botschaft in Wien befindet. Ein Beitrag über die Geschichte der Botschaftsbüros von 1989 und wie sie dort entstanden sind, wird später folgen.
P.S. Wir konnten keine Bilder des Gebäudes in der Metternichgasse aus den Jahren 1938 bis 1950 oder vom anschließenden Wiederaufbau ausfindig machen. Wenn Sie solche Bilder kennen, lassen Sie es uns bitte wissen.
P.P.S. Das Gebäude, in dem die Herren Winter und Fraser vom Bauministerium 1948 saßen, war das Lambeth Bridge House im Londoner Stadtbezirk SE1 – es war das erste Gebäude, das ich an meinem ersten Tag als Beamter des Umweltministeriums am 3. Oktober 1979 betrat. Die Britische Gesandtschaft befand sich 1948 in der Reisnerstraße 40, dieses Gebäude war dann bis 1989 die Britische Botschaft, und hier war ich von 1984-87 als Zweiter Botschaftssekretär tätig war.