Wenn ich mir mein Bücherregal zu Hause anschaue, bemerke ich eine Gemeinsamkeit mit unserer „rogues’ gallery“ in der Botschaft, der Galerie der ehemaligen britischen Botschafter in Österreich.
Mein Bücherregal wird nämlich ganz von männlichen Autoren beherrscht.
Unsere „Schurkengalerie“ in der Botschaft zeigt ausschließlich Männer, ausgenommen meine herausragende Vorgängerin Susan le Jeune d’Allegeershecque (in Wien 2012-16).
Die männliche Dominanz sowohl in der Literatur wie auch in der Diplomatie gehört der Vergangenheit an. Obwohl in meinem Bücherregal unterrepräsentiert, mag ich viele Schriftstellerinnen sehr gern: auf den ersten Blick fällt mir Jane Austen ein („Pride and Prejudice”, auf Deutsch: „Stolz und Vorurteil“ – ein wunderbar eleganter und amüsanter Roman); Charlotte Bronte („Jane Eyre”); A.S. Byatt („Possession”, „Besessen“); Jung Chang („Wild Swans”, „Wilde Schwäne“); Jackie Collins („Hollywood Wives” – ich habe einen ziemlich breiten Geschmack); George Eliot („Middlemarch” – einer der größten englischen Romane und erstaunlich modern in der Beschreibung der Geschlechterpolitik und –problematik); Helen Fielding („Bridget Jones’s Diary”, „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“); Sue Grafton (ihre „Alphabet-Reihe” über die Privatermittlerin Kinsey Millhone; die Reihe endete 2017 aufgrund des Tods von Grafton leider bei „Y”); Mo Hayder (die ich getroffen habe und deren Buch „The Treatment” bzw. „Die Behandlung“ den ersten Platz auf meiner Liste der schockierendsten Bücher, die ich je gelesen habe, belegt); EL James (alle drei Bände); Doris Lessing (darunter das bahnbrechende „The Golden Notebook” – „Das goldene Notizbuch“; „The Good Terrorist” – „Die Terroristin“; und das unheimliche „The Fifth Child” – „Das fünfte Kind“); Lionel Shriver („We need to talk about Kevin” – „Wir müssen über Kevin reden“, eine weitere schaurige Geschichte); Elif Shafak (eine türkische Schriftstellerin, die ich in Istanbul kennenlernen durfte und die jetzt in London lebt und auf Englisch schreibt); Faye Weldon („Puffball”); und Jeannette Winterson (die ich in Wien traf und deren Roman „Oranges Are Not the Only Fruit” – „Orangen sind nicht die einzige Frucht“ mich sehr beeindruckt hat).
In einem anderen Teil meines Regals stehen deutschsprachige Romane, darunter mehrere von Ingrid Noll (z.B. „Die Apothekerin”); Thea Dorn („Die Hirnkönigin” ist in Sachen Gruselmorde fast mit Mo Hayder zu vergleichen), Charlotte Link („Wilde Lupinen”) und Doris Dörrie („Was machen wir jetzt?”). Ich habe vor kurzem auch die österreichischen Schriftstellerinnen Doris Knecht und Marlene Streeruwitz kennengelernt, obwohl ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich bisher noch nichts von ihnen gelesen habe. Auch das einzige Buch, das ich je auf Türkisch gelesen habe, „Gazetecinin Ölümü” (Tod einer Journalistin) von Elçin Poyrazlar, kann ich empfehlen.
Auf dem heutigen Buchmarkt dürften die Geschlechter paritätischer vertreten sein. Aber falls Sie die oben genannten Schriftstellerinnen noch nicht für sich entdeckt haben sollten, möchte ich Ihnen dies dringend nahelegen. Hätten mir ihre Werke nicht gefallen, stünden sie heute nicht mehr in meinem Regal. Stöbern Sie, in Ihrem Buchladen oder im Internet, noch heute.
Was die Diplomatie anbelangt, hat sich das britische Außenministerium in den letzten Jahren sehr darum bemüht, die Geschlechterparität zu verbessern. Laut dem Jahresbericht des Foreign Office von 2019 sind inzwischen fast ein Drittel aller britischen Botschafter*innen bzw. Missionschef*innen Frauen (49 von 163). Damit sich noch mehr verändert, ist ein Teil der „Wand der Vielseitigkeit“ im Foreign Office die sogenannte „Mirror Challenge“: Porträts der jeweils ersten Amtsinhaberinnen der 28 höchsten Posten, wobei sich in den Rahmen für die Posten, die noch von keiner Frau besetzt waren, Spiegel befinden. Die Zahl der Spiegel schrumpft stetig.
Und wenn jemand mehr darüber erfahren will, wozu Frauen in der Lage sind, empfehle ich den Film „Maiden“, den wir diese Woche mit den Vereinten Nationen in Wien gezeigt haben, über die phänomenale Tracy Edwards und wie sie 1989 ein reines Frauenteam für die Segelregatta „Whitbread Round the World Race“ zusammenstellte. Ich werde in Kürze darüber bloggen. Absolut inspirierend und bewegend.